Sehr geehrte Frau Beisiegel, sehr geehrter Herr Magull,
mit Erleichterung haben wir vor einem Jahr die Zusage der Stiftungsratsvorsitzenden Frau Beisiegel und den Beschluss des Stiftungsrats des Studentenwerks Göttingen zur Kenntnis genommen, dass die dringend notwendig gewordenen Sanierungsarbeiten unserer Häuser in der Rote Straße 1-5/Burgstraße 52 möglichst zeitnah stattfinden sollen. Zudem wurde seinerzeit zugesichert, dass dies in jedem Fall unabhängig vom Fortgang der Verhandlungen über die Finanzierung der Baumaßnahmen geschieht. Die Maxime lautete der Situation angemessen: Schnell handeln! „Es wird angestrebt, mit der Sanierung in 2018 zu beginnen“, erklärte Frau Beisiegel damals in einem Grundsatzbeschluss des Stiftungsrates. Ein Jahr später müssen wir enttäuscht und wütend feststellen: Dieses Versprechen wurde nicht gehalten!
Denn was ist seitdem geschehen? Mit gutem Willen haben wir zu Beginn dieses Jahres erneut die Gespräche mit dem Studentenwerk aufgenommen. Herr Magull machte uns schnell klar, dass mit einem Sanierungsbeginn im laufenden Jahr 2018 nicht zu rechnen sei, die Sanierungen aber definitiv am 1. April 2019 beginnen würden. Herr Magull, dies haben wir akzeptiert, in dem Vertrauen, dass Sie Wort halten – und dass die Verhandlungen über zu klärende Formalitäten, wie etwa unseren zeitweiligen Auszug während der Sanierung, damit fortgeführt werden können.
Wir organisierten die Teilnahme des Stadtratsmitglieds Gerd Nier als neutraler Beisitzer unserer Gespräche mit dem Studentenwerk und trafen uns im April 2018 mit Frau Beisiegel, die uns erneut zusicherte, dass die Sanierung auch ohne Einigung über eine Finanzierung losgehen würde – die könne ja schließlich auch während der Bauarbeiten erfolgen. Bald aber waren wir wieder mit der altbekannten Hinhalte-Taktik des Studentenwerks konfrontiert. Im August übersendeten wir wie vereinbart einen Ergänzungsvorschlag zu unseren Mietverträgen, die für die Zeit der Sanierungsarbeiten das Mietverhältnis regeln sollte, und baten um Rückmeldung. Trotz mehrmaliger Nachfrage unsererseits und dem stetigen Näherrücken des Sanierungsbeginns kam darauf monatelang keine Reaktion.
Seit kurzem wissen wir warum: Mit dem Termindruck im Rücken und dem Wissen um den sich stetig verschlechternden Zustand unserer Häuser, haben Sie, Herr Magull, sich nun entschieden uns die sprichwörtliche Pistole auf die Brust zu setzen. Auf dem letzten Verhandlungstreffen vom 30. November 2018, gerade einmal vier Monate vor dem geplanten Beginn der Sanierungsarbeiten, legten Sie uns neue Mietverträge vor und erklärten aus heiterem Himmel, dass Sie im Falle eines Nicht-Unterschreibens unsererseits die geplanten Sanierungen wieder abblasen würden.
Herr Magull, das steht nicht nur im absoluten Widerspruch zu dem Versprechen von Ende 2017, Sanierungsbeginn und Verhandlungen voneinander zu entkoppeln. Nein, es ist noch dazu ein ungeheuerlicher Erpressungsversuch nach dem Motto: Wenn ihr nicht neue Mietverträge zu meinen Konditionen akzeptiert, dann lass‘ ich eben eure Häuser verfallen!
Von Zeitpunkt und Stil Ihres Anliegens einmal abgesehen, würden wir uns – trotz der gültigen Mietverträge, über die wir verfügen – einer Neugestaltung der Form der Verträge nicht verschließen. Dies haben wir stets kundgetan, dabei aber – in Einvernehmen mit Frau Beisiegel – betont, dass wir darüber nur losgelöst vom Sanierungsbeginn sprechen. Die uns nun vorgelegten Mietvertragsentwürfe stellen allerdings keine Verhandlungsgrundlage dar. Unter anderem beinhalten sie Mietsteigerungen in Höhe von mindestens 160%. Eine sich anschließende Staffelmiete soll zudem ab dem ersten Geltungsjahr sukzessive die Miete erheblich erhöhen. Diese Praxis ist im gesamten Studentenwerk einmalig! Sie hätte eine Entmietung auf Umwegen zur Folge: Angesichts dessen, dass es sich bei den Häusern in der Roten Straße um einige der letzten verbliebenen Inseln bezahlbaren Wohnraums in der Göttinger Innenstadt handelt und dort vorwiegend Menschen mit sehr geringen Einkommen wohnen, gefährden die drakonisch gesteigerten Mietforderungen des Studentenwerks den Fortbestand unseres Projekts existenziell. Selbst wenn wir die Verträge des Studentenwerks unterschreiben würden – wir könnten sie nicht bezahlen. In letzter Konsequenz würde insofern auch auf diesem Wege ein Räumungsszenario drohen.
Unsere Situation erscheint vor diesem Hintergrund aussichtslos. Auf der einen Seite klafft der Abgrund der Unbewohnbarkeit unserer Häuser, sollte das Studentenwerk deren Sanierung weiterhin verschleppen. Auf der anderen Seite scheint der Magull‘sche Todesstoß in Form neuer Mietverträge auf uns zu warten. Dazu kommt: Nicht nur steht wieder einmal die Zukunft unserer Häuser in Gänze auf dem Spiel, derzeit wissen wir nicht einmal, wo wir in vier Monaten wohnen werden. Wenn Herr Magull seine Drohung ernst macht, können wir zum 1. April 2019 nicht in den gemeinsam vereinbarten Ersatzwohnraum ziehen. Ein Wohnheim mitten in Göttingen würde vermutlich monatelang leerstehen. Unmengen an Geld für bereits erteilte Bauaufträge etc. würde zum Fenster herausgeworfen werden.
Dass es soweit kommen muss, kann jetzt verhindert werden. Von unserer Seite bedarf es dafür nicht viel: Wir wollen Verhandlungen, die diesen Namen auch verdienen – kein Hinhalten und anschließendes Pistole-auf-die-Brust-Setzen kurz vor knapp. Und wir wollen, dass die Zusagen, die Sie uns vor einem Jahr gegeben haben, auch eingehalten werden. Zu diesen Bedingungen werden wir gerne an den Verhandlungstisch zurückkehren. Frau Beisiegel und Herr Magull, es liegt an Ihnen. Stehen Sie zu Ihren Versprechen von Ende 2017!
Wir lassen uns nicht erpressen! Die Sanierung muss zum 1. April 2019 beginnen – unabhängig von neuen Mietverträgen!
Mit freundlichen Grüßen,
die Bewohner*innen der Hausprojekte in der Roten Straße